- Widmung der symphonischen Dichtung "Tapiola" -

Da dehnen sich des Westlands Wälder, uralt, geheimnisvoll in wilden Träumen, Waldgeister weben in dem Dunkel.

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Samstag, 27. März 2010

Elfen Lied (2/10 oder 8/10)


Anime der Spitzenklasse oder nur billige Effekthascherei?

An "Elfen Lied" scheiden sich die Geister. Von totaler Ablehnung bis zu bedingungsloser Schwärmerei gibt es das ganze Spektrum an Reaktionen. Ich selbst fühle mich innerlich hin und her gerissen.


An sich bringt die Serie nichts wirklich Neues. Wissenschaftler führen bestialische Versuche an den "Diclonius", genetisch mutierte Menschen, durch. Eines der gequälten "Experimente" macht sich schließlich selbständig und lebt sein ganzes mörderisches Potential aus. Auf der Flucht verliert das Versuchskaninchen Lucy aber sein Gedächtnis und wird von den Studenten Kotha und Yuka aufgenommen. Sie wissen nicht welch schizophren mörderischem Wesen sie da eigentlich Unterschlupf gewähren. In dieser seltsamen Wohngemeinschaft kommt es nachfolgend zu den zwischenmenschlich absurdesten Situationen. Natürlich gibt es zwischen den Dreien eine geheimnisvolle Verbindung, die bis weit in ihre nebulöse Kindheit zurückreicht. Die Macher von Elfen Lied schaffen es altbekannten Themen auf eine provokant unterhaltsame Art und Weise neu zu vermischen und auf das essentiell Nötigste zu reduzieren.

Die Charaktere von "Elfen Lied" wirken relativ klischeehaft und wiederholen die Muster des japanischen Anime. So ist zum Beispiel Yuka in ihrer beinahe selbst verleugnenden Hingabe zu Kohta eine eher eindimensionale Figur. Als Zehnjährige (?) hat sie für ihren Cousin geschwärmt und hat nichts anderes zu tun als in den nächsten 8 Jahren der Trennung sich in Sehnsucht nach ihm zu verzehren. Solch ein verkorkstes Frauenbild kann auch nur in der Animewelt funktionieren.
Noch schlechter kommen nur noch die Schurken weg. Der Söldner Bandou ist eher das lächerliche Abziehbild eines sadistischen brutalen Machos, eine Witzfigur die der Zuschauer richtig hassen darf und der es auch nicht anders verdient wenn Lucy ihn von seinen überflüssigen Gliedmaßen befreit. Ähnlich dürftig sieht es mit dem Generaldirektor Kakuzawa (dem Leiter des Dicloniusprojektes) und seinem Sohn aus. Verschwommene nichts sagende Bösewichte. Einzig Kurama, der Wissenschaftler, bietet hier etwas mehr an Profil.
Die persönlichkeitsgespaltene Nyu/Lucy wirkt ebenso indifferent. Einmal ist sie ein naives Kind das die Welt blauäugig anstrahlt, dann eine gnadenlose kalte unmenschliche Killerin. Wirkliche Grauzonen gibt es hier nicht. Erst durch die Rückblenden (siehe Vektor 3) in die Kindheit erhält "Bienenkönigin" Lucy eine etwas glaubwürdigere Persönlichkeit.
Warum die im Labor in Isolation aufwachsenden Diclonius/Silpelit überhaupt eine menschliche Sprache entwickeln bleibt ein Rätsel. Eine Entwicklung im Stile eines Kaspar Hauser wäre hier realistischer.

Was "Elfen Lied" zu etwas Besonderem macht sind also nicht vielschichtige und realistische Charaktere, sondern die düstere Atmosphäre die der Anime aufzubauen im Stande ist. Eine gewisse morbide Grundstimmung, eine unterschwellige Bedrohung ist ständig spürbar. Maßgeblich dafür ist die Kombination aus effektvoller Musik und Animation in kontrastreichen kräftigen Farben. Hinter jeder Ecke wartet der Zuschauer auf eine neue Brutalität, eine neue Unmenschlichkeit.

Was bei "Elfen Lied" sofort ins Auge fällt ist die reißerische Darstellung von Gewalt, sowohl in physischer als auch in psychischer Form. Gliedmaßen und Köpfe werden beiläufig abgetrennt, Blutfontänen färben den Bildschirm rot, faschistoide Menschenexperimente werden durchgeführt, Kinder misshandelt, Tiere gequält. Ein plakativ bestialisches Spektrum menschlicher Grausamkeiten. Provokante Themen die scheinbar nur angeschnitten werden, um die Schaulust des Zuschauers zu befriedigen.
Diese brutale Handlung wird ganz bewusst mit dem übertrieben niedlichen Charakterdesign und animetypischer Situationskomik kontrastiert. Das Ergebnis nimmt dabei geradezu groteske Züge an. Der erreichte Gegensatz ist offensichtlich kalkuliert, um mit den Sehgewohnheiten der Zuschauer zu brechen. Reine Effekthascherei die einzig und allein dazu dient zu provozieren, zu schockieren. Aus dem Rahmen fallen, aus der Masse der neuen auf den Markt drängenden Animeserien herausragen, das ist das Ziel. Und dieses Ziel wird auch voll und ganz erreicht. Der Zuschauer soll sich am Leid dieser animierten Welt betrinken.

Die Manipulation ist ziemlich offensichtlich und dennoch ist das Ergebnis mehr als eindrucksvoll. Trotz all der von mir aufgezählten Schwächen kann ich mich diesem so plakativ inszenierten Anime, mit seinem ganzen morbiden Charme, nicht entziehen. Ich schiebe alle sicherlich berechtigten Zweifel beiseite und lasse mich im Strom der Bilder treiben, trunken von dem Blut, von dem Leid, von dem zerbrechlichem Glück all dieser zweidimensional gezeichneten Charaktere.
Aus rein intellektueller Sicht muss ich Elfen Lied als Blendwerk, als marktorientierte Effekthascherei, ablehnen. Mein irrationales Herz aber, kann sich in dieser visuellen und emotionalen Achterbahnfahrt verlieren.

"Elfen Lied" ist eine auf morbide Art und Weise unterhaltsame und straff inszenierte Serie ohne wirkliche Längen. An einigen Stellen möchte man vielleicht noch etwas länger verweilen und mehr Hintergründe über die Hauptpersonen erfahren. Provokante Themen dienen eher reiner Effekthascherei und bilden keine Grundlage für ernsthafte Auseinandersetzungen. Etwas anderes kann man von einem kommerziell orientierten Anime aber wohl auch nicht erwarten. Das Ergebnis ist aber dennoch eine äußerst effektvolle Serie, die aber aufgrund der von mir aufgezählten Schwächen nicht alle Zuschauer zu begeistern vermögen wird.

1 Kommentar:

  1. Hi! :)
    Also ich finde deine Kritik mal echt interessant.
    Ich selbst kenne sowohl Anime, als auch Manga und muss dir in vielen Dingen zustimmen.
    Der Anime ist rein plastisch aufgebaut, wo ein Klischee (srry wenn es falsch geschrieben ist) auf das Nächste wartet.
    Im Manga werden die Figuren - jedenfalls einige - ein wenig mehr ausgebaut und es kommt auch etwas mehr vor als nur Gemetzel...
    Sorry ich bring grad keinen richtigen Satz raus...
    Besonders gut hat mir dein Kommentar zu Yuuka gefallen. Ich persönlich kann sie nicht leiden. Eben wegen dieses eindimmensionalen Charakters.
    Bandou wird im Manga allerdings weiterentwickelt und zeigt auch gute Seiten. So beschützt er zum Beispiel Mayu und 'opfert' dafür sogar sein Leben.
    Die Gewaltdarstellungen und so finde ich in bestimmten Teilen des Anime - aber auch im Manga - dann doch ziemlich übertrieben...
    Trotzdem sehe ich ihn mir gern an...

    Liebe Grüße
    Kuraiko

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